Morgen komme ich später rein (Teil 2)

markus_albers-mkisr-cover-72dpi.jpg OK, nachdem das Buch von Markus Albers im Briefkasten war, habe ich es artig gelesen. Schließlich will man auch im Detail wissen, über was hier gepostet wird.

Um gleich zu Beginn Missverständnisse zu vermeiden: Ich habe mehrere Exemplare bestellt um Kunden und Freunde mit wenig Aufwand wieder einmal mein „Sendungsbewustsein“ als Rufer in der Wüste zu dokumentieren. Aaaaber …

1. Ich bleibe dabei, die Technik ist nicht das Entscheidende um mehr Effizienz für sich und seinen Chef zu erreichen. Klar, Skype&Co, breidbandige Netze u.a. Errungenschaften waren vor 10 Jahren noch nicht zu haben. Dennoch ist es eben nicht so, dass erst heute eine Technik, wie auch Raumplanung möglich ist, welche uns Flexibilität gibt. „New Work“ (Raumplanung) und „Mobile Business“ (Technik) gab es bereits vor der Jahrtausendwende. Was heute neu ist, ist natürlich eine fortgeschrittene Reife der Technologie, welche sich u.a. durch beeindruckende Interfaces wie das des iPhone ausdrücken, vor allem aber durch eine viel stärkere „Konvergenz“ von Hardware, Software und WebService-Angeboten. Um 1999 „Morgen später rein zu kommen“ musste man sich halt etwas mehr Mühe geben, aber es ging durchaus. Die Zukunft war auch 1999 schon da, nur dass sie damals noch ungleichmäßiger verteilt war als heute ,-) … Ich persönlich möchte da gar keinen Unterschied zwischen Angestellten und Freiberuflern machen!

2. Natürlich werden wir immer mobiler und flexibler. Eine Gesellschaft mit „Brainworkern“ kann sich gar nicht anders entwickeln, als mit zunehmender Freiheit, aber auch Selbstverantwortung und Selbstorganisation in Beruf und Freizeit. Oder auch mit einer neuen Vermischung von Arbeit und Freizeit, man siehe da nur die Hafencity in Hamburg oder andere Projekte dieser Art, welche dies räumlich und architektonisch dokumentieren. Fragt sich nur, wie hoch das Tempo dabei ist, um im Mainstream anzukommen?

3. Der zentrale Punkt im „Culture Change“, hin zu einer besseren „Work-Life-Balance“ bleibt für mich der kulturelle Aspekt und definitiv nicht die Technik oder Räume (siehe auch S.172).

Zum einen muss der Employee wissen was er will, sprich: Er muss seine Berufung (!!!) finden, die es ihm ermöglicht gar nicht mehr so hart zwischen Arbeit und Freizeit zu trennen. Es gibt Bergbauern in den Alpen, die laut Umfrage zwischen den beiden Begriffen gar nicht unterscheiden können, die „leben“ einfach, sind zufrieden und werden vermutlich steinalt … Zum anderen, darauf weist der Autor durchaus oft hin: Es bedarf Unternehmer und Vorgesetzte, die qualitativ führen können, sprich: Die klare Zielvorgaben für ihre Mitarbeiter entwickeln können, um einen wirklichen Maßstab für deren Leistungen zu haben. Soweit sich diese beiden Typologien treffen, gab es schon immer große Freiheiten. Problem besonders hierzulande ist halt, dass eine Industriegesellschaft, die ihre Kinder ein gutes Jahrhundert lang uniformiert und genormt hat nun mit dem Produkt ihres Erfolges kämpft: Es fehlt an kompetenten Individualisten … „Wer Zäune um Menschen baut, bekommt Schafe“, wird im Buch auf S.140 Mr. McKnight zitiert.

4. Menschen sind Gewohnheitstiere und scheuen die Veränderung. Lieber ein bekanntes Unglück, als ein unbekanntes Glück, lautet das Sprichwort. Die Deutschen, sorry, sind darin Weltmeister.

5. Das Buch beschreibt aus meiner Sicht keine Neuigkeiten. Neu sind für mich bspw. das Web 2.0 und die aktuellen Entwicklungen zum dezentralen Wissensmanagement. Über die wird nur in wenigen, einzelnen Sätzen geschrieben, die eher untergehen. Aber vielleicht ist es gerade deshalb ein gutes Buch für „uns Deutsche“, denn es fasst alle bisherigen Entwicklungen in Richtung Mobile-Business, New Work und Work-Life-Balance aus meiner Sicht recht gut zusammen und wird damit gerade hierzulande ein gutes Planungswerkzeug. Und es verwirrt uns Deutsche nicht mit all zu neuem Gedankengut, denn das macht uns eh nur nervös. Nie vergessen werde ich eine interne Mitarbeiterbefragung der EDV innerhalb einer Versicherung um ca. 1995, die da lautete: „Brauchen wir E-Mails?“

PS. Zur S.215: Twitter ist ganz sicher nicht „die nächste E-Mail“, da irrt Robert Scoble. Twitter ist etwas ganz Eigenständiges und alles andere als nur ein „Privatspass“. Es fördert „Connectivity“ und „Identität“ und es ist durchaus ein ganz hervorragendes Tool, um kollaborativ und dezentral zusammen zu arbeiten und die Ergebnisgeschwindigkeit zu erhöhen!

6 Gedanken zu „Morgen komme ich später rein (Teil 2)“

  1. @Katja: Learning by doing ist schon ganz richtig. Den zunächst sind die gefühlten Hürden (die sich hinterher als viel niedriger herausstellen) ziemlich hoch. Man braucht einen Punkt, mit dem man anfangen kann. Nicht einfach installieren und verschwinden, sondern anfangen.

    @Jochem: Heute als A-Worker ;-). Vielleicht wirds noch klarer was ich meine, wenn ich mal ein typisches Projekt beschreibe.

    Ich gehe gerne so vor, dass man im ersten Schritt auf einer ganz abstrakten Ebene die Ziele definiert. Wo will man hin? Wie verändern sich die Strukturen gerade? Wohin entwickeln sich die Aufgabengebiete? Wie wollen wir unser Umfeld dafür gestalten. Das passiert auf Management-Ebene.

    Dann gibts Workshops, Gespräche, Besichtigungen mit den Betroffenen: Wie findet Arbeiten gerade statt? Was ist anders als vor 5 Jahren? Was ändert sich absehbar? Was funktioniert gut, was weniger?

    Auf dieser Basis gibt Ideen und schließlich ein diskutiertes und abgestimmtes Gesamtkonzept, wie eine neue Arbeitswelt aussehen könnte. Räume und Technik inklusive, aber auch notwendige organisatorische Veränderungen, Kulturelles, Führung, Stempeluhr & Co.

    Das ist ein Berg. Dann gibts nen Piloten, da beginnt man, den Berg von unten zu erklimmen, sammelt Erfahrungen, merkt was einfach geht und was aufwändiger ist. Das sind dann natürlich hysche Räume, fesche Technik, mal ne gemütliche Leseecke, und und und. Immer gemeinsam mit den Mitarbeitern geplant und gestaltet.

    Der große Vorteil: Alle Beteiligten merken schnell, dass es „gar nicht so schlimm ist“ und dass durchaus eine Offenheit da ist. Der Weg in den kulturellen Change fällt leichter, denn man ist a) direkt unterwegs und hat b) viele kleine Erfolgserlebnisse.

  2. Ich glaube, Jochem, Dein Kommentar geht ein wenig an dem vorbei, was Alexander eigentlich sagen wollte: Anfangen und den Wandel über die zur Verfügung stehenden Werkzeuge gut gesteuert vorantreiben (dafür muss man erst einmal diese Werkzeuge -u.a Videokonferenz, neue Technick – verstehen – was er aber voraus setzt, denke ich).

    Das Zusammenspiel der Werkzeuge, plus das Einsetzen nach den Bedürfnissen von Menschen und Firma, ist doch das, was die Effizienz (Straffung von Prozessen, Zeiterspraniss) und schlussendlich „Erleichterung“ für die Nutzer bringt.

    Man hat heute die Möglichkeiten, den Wandel voranzutreiben, ohne gross darüber zu theoretisieren (das kann viele Leute abschrecken!!!!!). Learning by doing oder, anders ausgedrückt: „ran an die Buletten“. :D

    …. und dann hat man das „Aha“ Erlebniss, das weniger mit dem Verständnis der Technik zu tun hat(!).

  3. Erster Kommentar um 01:07 Uhr … noch ein B-Worker ,-)))

    Alexander, da ist schon eine Menge dran, an dem was Du schreibst. Wenn Arbeit (und Leben) neu gedacht werden soll, dann ist ein isoliertes Vorgehen sicher suboptimal. Das man mit neuer Technik und neuen Raumkonzepten den „Culture Change“ fördert habe ich selber besonders in einem Projekt erlebt.

    Was mich den kulturellen Aspekt so betonen lässt ist, dass ein bisschen neue Technik oder ein wenig neuer Raum immer gern angeschafft wird, dass aber in den Wandel mit der dazugehörenden Organisation, Kommunikation und Kultur fast kaum investiert wird. Da wird bspw. Videokonferenz-Technik angeschafft und diese den Teams mit der Forderung vor die Füße geknallt: „Nutzt das jetzt mal.“ Wie, das sagt niemand. Dass die Mitarbeiter wegen ihrer Miles&More Urlaubs-Freiflug-Punkte etc. eh lieber fliegen, wird schon gar nicht gesehen. Das Risiko ist hoch, dass die Räume mit der Zeit vergammeln und es zum Schluss heißt: „Das taug nix, das funktioniert nicht …“ Alles schon erlebt ,-)

    All zu oft, geht es bei neuer Technik oder neuen Räumen auch allein um`s Image. Man hat eben den neuen Communicator oder das iPhone, weil andere es nicht haben. Und was wird dann damit gemacht? Mehr oder weniger nur telefoniert … Stimmt`s? ,-)

  4. Ob das Ganze nun „neu“ ist, kommt auf den Blickwinkel des Betrachters an. Für die meisten Unternehmen ist es sehr neu, für andere noch nicht mal erfunden.

    Ich sehe es wie Du, dass der dritte Punkt, der Cultural Change, der wesentliche ist und nicht zuerst die Technik und die Räume. Die zentrale Frage dabei ist, was zuerst kommt. Muß erst der Cultural Change passieren, damit New Work funktioniert oder beginnt man mit „Technik und Räume“ und sorgt im iterativen Projekt dafür, dass sich der Change entwickelt.

    Meine Erfahrung ist die, dass man mit der ersten Variante als einsamer Rufer im Wald steht. Wohingegen man mit der zweiten Alternative, anfangen und den Change über die Werkzeuge gut gesteuert vorantreiben, gute Fortschritte erzielt. Insofern ist der Reifegrad von Technogien, Raumkonzepten und Arbeitsorganisation doch ein erfolgsentscheidender.

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