Anlässlich der kommenden add art in Hamburg ist es Zeit wieder einmal deutlich(st) darauf hinzuweisen, welchen Wert die „Kunst am Arbeitsplatz“ hat. Und, … dies keineswegs nur für Wissensarbeiter!
Vorab: In diesem Kontext empfehle ich persönlich ganz besonders den Besuch der Arbeitsräume von Lohmann konzept. Das Ehepaar Lohmann zeigt nicht nur seine Leidenschaft als Sammler-Ehepaar, sondern ist ein mehr als authentischer Beleg dafür, was Kunst am Arbeitsplatz bewirken kann. Zeitgemäßes „officeWORK“ braucht eben den Umgang mit Kreativität und Innovation!
„Wissensarbeit produktiv zu machen ist die große Managementaufgabe dieses Jahrhunderts, so wie es die große Aufgabe des vergangenen Jahrhunderts war, manuelle Arbeit produktiv zu machen.“
Diese, bereits 1965 formulierte Erkenntnis vom Managementlehrer Peter F. Drucker könnte nicht aktueller sein. Die Industrielle-Ökonomie wechselt in eine Netzwerk-Ökonomie … Wer sieht das nicht? Auf dem Weg von der Industriegesellschaft zur Informations- und Wissens-Gesellschaft haben sich die Form unserer Zusammenarbeit sowie die Organisationsstrukturen extrem verändert. So steht heute immer mehr in Unternehmen „Organismus“ vor „Organisation“, denn es bedarf mehr und mehr eigenverantwortlicher Arbeit, Ideen und sozialer Interaktion, um zum „gewohnten“ Output zu gelangen. Denken Sie nur mal an das Thema Agile Führung … Für die Büroarbeit(er) und Büro-Kommunikation bedeutet dies, sich vom sturen, linearen „zeitorientierten ab-arbeiten“ weg zu bewegen. Notwendig ist ein zielorientiertes, flexibles, kommunikatives und kreatives Teamwork.
Die Erfindung des Erfindens
Kreativität ist leider eine in unserer Erziehung vielfach abgebaute „natürliche“ Fähigkeit, die es neu zu „erfinden“ gilt, so Kreativitätsforscher Prof. Willis Hermann, Stanford University:
Denken Sie mal an das klassische Kontor und wer da wagte eine „Idee“ zu haben … wehe ihm … (Quelle: Wikimedia)
„Bisher haben wir Kreativität gewissermaßen wild geerntet und uns nur der kreativen Leistungen solcher Menschen bedient, die trotz aller Bemühungen von Familie, Religion, Erziehung und Politik, ihnen die Flausen auszutreiben, kreativ geblieben sind. Wenn wir lernen, die Kreativität in unser tägliches Leben zu integrieren, sie zu fördern, statt sie zu behindern, dann können wir die Zahl der kreativen Menschen in unserer Mitte etwa vervierfachen. Das würde die Anzahl und damit den prozentualen Anteil solcher Individuen an der Gesamtbevölkerung über die Schwelle der „kritischen Masse“ anheben. Wird in einer Kultur dieser Punkt erreicht, wie es zum Beispiel in Athen zur Zeit des Perikles der Fall war, dann führt das zu einer Eskalation der Kreativität und die Zivilisation macht einen gewaltigen Sprung nach vorn. Wir könnten ein Goldenes Zeitalter verwirklichen, wie es die Welt noch nicht gekannt hat. Ich bin fest davon überzeugt, daß dies jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts eintreten wird.“
Was ist überhaupt Kreativität?
Der Harvard Psychologe David Perkins, Leiter des ‚Projekt Zero‘ zur Erforschung kognitiver Fähigkeiten bei Wissenschaftlern und Künstlern, hat ein pragmatisches Modell jenseits romantischer Mythen entwickelt, um den kreativen Prozess zu beschreiben. Er stieß auf sechs zusammenhängende Bausteine, die er sehr plastisch zu einem sechseckigen „Schneeflocken-Modell der Kreativität“ zusammenfaßte.
Die erste Zacke ist eine stark ausgeprägte persönliche Ästhetik. Teil dieser persönlichen Ästhetik ist eine hohe Toleranz gegenüber Komplexität, Zweideutigkeiten und Disorganisation. Kreative Menschen scheinen Gefallen daran zu finden, sich in einen Wust von Ungewissheiten zu stürzen und daraus neue Zusammenhänge zu häkeln.
Die weite Zacke ist die Fähigkeit, ungewohnte Fragen zu stellen und die verschiedensten Optionen eines Problems durchzuarbeiten.
Die dritte Zacke heißt mentale Mobilität. Damit ist die Fähigkeit gemeint, neue Perspektiven und Herangehensweisen zu finden und dabei vor Paradoxien nicht zurückzuschrecken. Schutzpatron dieser Disziplin ist der römische Gott Janus, der bekanntlich mit seinen zwei Gesichtern nach vorne und hinten gleichzeitig blickte. Wer kreativ ist, wird häufig in Gegensätzen und Asymmetrien denken und die gängigen ‚frontalen‘ Sehweisen in Frage stellen.
Die vierte Zacke ist die Bereitschaft, Risiken einzugehen. Hier treffen sich die Einfallsreichen mit den Waghalsigen und sogar mit den Kriminellen. Sie alle suchen den Kitzel der besonderen Herausforderung, jeder auf seinem Terrain, ob geistig, körperlich oder gemischt. Die Kreativen dürfen das geistige Risiko nicht scheuen und vor intellektuellen Verbotsschildern keinen Halt machen.
Klingt gut, nicht wahr? Die schlechte Nachricht: Dieses Risiko schließt die Möglichkeit des Scheiterns mit ein. Anders lautenden Mythen zum Trotz, ist der Fall auf die Nase keine unbekannte Erfahrung für den kreativen Menschen. Im Gegenteil, nur unkreative Nasen fallen nie auf dieselben. Wer die Chancen der Originalität wahrnehmen will, arbeitet immer am Rande der eigenen Kompetenz und oftmals im freien Flug weit darüber hinaus.
Die Schneezacke Nummer fünf lautet Objektivität. Ohne den genau prüfenden, gemeinhin objektiv genannten Blick laufen auch die brillantesten Kreativen Gefahr, in einer Welt des autistischen Scheins zu verschwinden. Objektivität, sagt Perkins, erfordert mehr als Talent oder Glück, es erfordert die Fähigkeit, sein Ego zur Seite zu stellen, Rat und Fakt und Feed-back einzuholen. Es reicht nicht, gute Ideen zu haben, wenn man nicht Willens ist, sie unter die Lupe zu nehmen und zu testen.
Die sechste und letzte Zacke komplettiert die innere Motivation. Sie ist in gewisser Weise das Herz hinter der Kreativität. Erfinderische Menschen sind es in erster Linie um ihrer selbst willen, aus sich selbst heraus, und nicht, weil sie ihre Bemühungen gegen Nobelpreise und Pensionsberechtigung einzutauschen gedenken. Die Triebfeder des kreativen Arbeitens ist nicht das Kalkül von Soll und Haben, sondern ein Überfluss an Freude, ein Gefühl der Befriedigung, das aus der Herausforderung selbst bezogen wird.
OK … Was kann nun „Kunst am Arbeitsplatz“ in diesem Kontext leisten?
Präsentation von Kunst am Arbeitsplatz war und ist in ihrer Symbolik zunächst immer eine Darstellung von Macht – ein manifestieren und verstärken des „Genius Loci“. Zwischen den Auftragsarbeiten barocker Herrscher, die das höfische Leben oder vorzugsweise auch den Auftraggeber selbst verewigen sollten, und der Anwendung von Kunst in der Gegenwart findet sich zunächst wenig Unterschied. (Ich wage kein Motiv abzubilden, wer weis welches Museum mich abmahnt ,-)
Den Unterschied zu früher und die Brücke zur Kreativität machen die Plätze aus, an denen „Kunst am Arbeitsplatz“ heute zu finden ist. Nämlich nicht allein in den Chefetagen, sondern in den Etagen „darunter“. Eine Entwicklung, welche in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts seinen Ursprung fand. Und zwar aus der Notwendigkeit von zunehmend veränderten Arbeitsorganisationen und der Förderung von Kreativität, Teamwork und Kommunikation im Office.
Hier, in den Büros der Mitarbeiter, ist die unmittelbare Begegnung mit der Kunst eine ganz andere, als in der Chefetage oder in einem Museum – nämlich eine direkte, alltägliche, wie auch zufällige Erfahrung.
Nicht allein für den Betrachter, auch für die Kunst selber ist dies eine Herausforderung, denn sie muss sich in der speziellen Umwelt „Arbeitsplatz“ behaupten, nicht zuletzt Teilweise bei einem Publikum, das sonst keine Kunstausstellungen besucht. Dies wird um so mehr verstärkt, je stärker Mitarbeiter demokratisch in den Auswahlprozess mit einbezogen werden …
Kunst kann die Stimmung am Arbeitsplatz in Richtung Arbeitsmoral und Produktivität sowohl positiv, als auch negativ beeinflussen, dies ist spätestens seit der Untersuchung des amerikanischen Psychologen und Biologen Dr. Aric Sogmann bestätigt. Kunst kann, so das Ergebnis seiner Studie, die Kreativität fördern, kann entspannen oder die Stimmung verbessern.
Gemälde, wie Gustav Klimas „Der Kuss“ wirkt bspw. besonders stimmungsaufhellend und beruhigend. Cézannes „Badende“ sowie van Goghs „Sonnenblumen“ und Matisses „Blauer Akt“ helfen, Stress abzubauen. Bilder wie Edvard Mönchs „Schrei“, Andy Warhols „Campbell Soup“ oder Picassos „Guernica“ wirkten dagegen anregend oder aufwühlend.
Es hat sich gezeigt, dass Unternehmen, die Beziehung zur Kunst pflegen, sei es als Sponsor oder als Käufer für die Ausgestaltung von Büros und Empfangsbereichen, oft eine gute Unternehmenskultur haben. Kunst kann wesentlich dazu beitragen ein kreatives und innovatives Klima zu schaffen. Besonders moderne Kunst sprengt gewohnte Wahrnehmungszusammenhänge, und gerade darin liegen die kreativen Potentiale der Zukunft.

Kunst am Arbeitsplatz motiviert Menschen, macht sie aufgeschlossener und neugierig. Kunst schafft Kontakte und stellt Beziehungen her. Kunst fördert die interne und externe Unternehmenskommunikation, den wichtigen gegenseitigen Austausch und die Zusammengehörigkeit der Mitarbeiter. Wechselnde Kunst am Arbeitsplatz fordert immer wieder neu die Auseinandersetzung mit der Kunst. Immer wieder sind andersartige Anregungen und Eindrücke erlebbar und regen zu Diskussionen und kreativen Prozessen an.
Willkommen zur Inspiration pur auf der add art oder wo auch immer Sie es für Ihr Office mögen :-)
Lieber Jochem
Interessante Website, das erinnert mich an meine…..ich sollte doch mal…naja..
Grade gestern war ich auf einem Vortrag von Gerried Danz, mit ähnlichem Schwerpunkt wie oben beschrieben, siehe unten:
http://www.wiso.uni-hamburg.de/weiterbildung/weiterkommen/W15_003.php